Von Energiedeposition zu Messsignal

Der Mensch verfügt über keinerlei Sinne, mit denen er ionisierende Strahlung wahrnehmen kann. Daher sind wir auf Messtechnik angewiesen, um Strahlungsfelder sichtbar zu machen und beurteilen zu können. Für viele Menschen bleibt die Sichtbarmachung von etwas, das sich außerhalb ­unseres Erfahrungsbereiches befindet, ohne Hintergrundwissen über die Anwendung und Wirkung ionisierender Strahlung, abstrakt und schwer zugänglich. Wer jedoch mit ionisierender Strahlung umgeht und sich Wissen und Erfahrung in diesem Feld erarbeitet hat, erhält mittels gut funktionierender Mess­technik einen faszinierenden Blick in eine versteh- und berechenbare Welt, die jedoch dem Auge ohne Hilfsmittel verborgen bleibt.

Messtechnik zum Nachweis ionisierender Strahlung

Wie die Anwendung ionisierender Strahlung, so ist die Messtechnik in diesem Umfeld weit gefächert. Selbst unter der Einschränkung auf den Aspekt „Strahlenschutz“ muss die Messtechnik unterschieden werden nach dem Ziel der Messung und zum anderen nach der technischen Umsetzung.
In diesem Artikel wird eine Einschränkung auf die folgenden Aspekte getroffen werden:

  1. Die Energiedeposition insbesondere von Photonen und die damit verbundenen Ionisationen und Anregungen bilden die Basis für jeden Detektor und sind speziell für Messgeräte, die „gewebeäquivalente“ Messgrößen abbilden sollen, von Relevanz.
  2. Übersetzung dieser Ionisations- und Anregungsakte durch das Detektormaterial in elementare Informationsträger, d. h. bewegliche Ladungsträgerpaare oder optische Photonen.
  3. Die Überführung dieser in eine messbare elektrische Spannung mit dem Ziel, diesen Wert einer einzelnen Wechselwirkung eines Photons zuzuordnen.

Hiermit wird die Klasse der sogenannten aktiven Detektoren für Photonenstrahlung abgedeckt, insbesondere solche, die zählspektroskopisch arbeiten. Dies umfasst unter anderem Proportionalzähler, Szintillations- und Halbleiterdetektoren.

Energiedeposition durch Photonen als Basis von Detektorsignal

Grundlage für jedes auswertbare Signal ist zunächst eine Wechselwirkung eines Teilchens des Strahlungsfeldes mit einem hierauf empfindlichen Detektorvolumen. Photonen im Energiebereich ab 5 keV übertragen ihre Energie vorwiegend durch einen der 3 Wechselwirkungsmechanismen auf Elektronen des Detektormaterials:

  • Photoelektrischer Effekt
  • Inkohärente Streuung
  • Paarbildung

Kohärente Streuung tritt bei niedrigen Energien noch auf, jedoch ohne Energieübertrag und somit ohne Detektorsignal. Dieser Prozess erlaubt jedoch die Konstruktion von Linsen, z. B. für den Röntgenbereich, die jedoch mit steigender Energie stark an Effizienz einbüßen und an Größe gewinnen.
Auch für abbildende Verfahren ist man auf die 3 obigen Wechselwirkungsprozesse angewiesen, die nur sehr ineffektive, aufwendige und unscharfe „Linsen“ erlauben1. Dies ist der Grund, weshalb es für den Strahlenschutz kaum ein Äquivalent der Wärmebildkamera gibt, das die praktischen Anforderungen an Messzeit und Aufwand erfüllen kann.
1 Abbildende Verfahren und auch Suchbegriffe für Interessierte sind z. B. Coded Aperture Imaging (photoelektrischer Effekt), die Compton-Kamera und die Paarbildungskamera.

Wechselwirkungsmechanismen

Die 3 Prozesse unterscheiden sich nach der mittleren Anzahl der Wechselwirkung an einem Atom bezogen auf die Fluenz, der es ausgesetzt ist, d. h. dem Wirkungsquerschnitt, und dem Anteil der Photonenenergie, der auf Elektronen übertragen wird und somit prinzipiell als Signal zur Verfügung steht.
Systeme, die für hohe Effizienz und die volle Deposition der Photonenenergie optimiert werden, wie z. B. die Detektoren von IMIS, benötigen möglichst viele Elemente hoher Ordnungszahl Z, da hiermit der Wirkungsquerschnitt steigt, und ein großes Volumen und hohe Dichte, da so nicht nur die Zahl der Wechselwirkungen steigt, sondern auch gestreute Teilchen nochmals im Detektor erfasst werden.
Eine besondere Herausforderung besteht für Systeme, die gesetzliche Messgrößen, die an Gewebe orientiert sind, abbilden sollen. Hierbei ist auch die Mischung der obigen 3 Wechselwirkungen und deren Energieübertrag über den avisierten Energiebereich entscheidend.
In Abbildung 1 ist der jeweilige Anteil von photoelektrischem Effekt, inkohärenter Streuung und Paarbildung an allen stattfindenden Wechselwirkungen, gewichtet mit deren Energieübertrag an geladene Teilchen, gezeigt.

Abb. 1: Jeweiliger Anteil der Wechselwirkung gewichtet mit der an Elektronen übertragenen Energie von Photonen durch den photoelektrischen Effekt (rot), die inkohärente Streuung (grün) und die Paarbildung (blau) über Ordnungszahl Z des Detektormaterials und der Photonenenergie. (Daten aus [1])
Weist man Gewebe eine mittlere Ordnungszahl von 7 zu, so erkennt man, dass von ca. 50 keV bis über 10 MeV die inkohärente Streuung dominiert. Diese wirkt jedoch gleich für alle Stoffe durch die näherungsweise Gleichberechtigung aller Elektronen in diesem Prozess.
Mit anderen Worten: Bis zu einer Ordnungszahl von 50 sind alle Stoffe zwischen ca. 300 keV und ca. 5 MeV gewebeäquivalent.

Eine Herausforderung für den Detektorbau besteht „nur“ bis 300 keV.

Stoffe mit einem Z größer 7 erfahren zu viel Energiedeposition (durch den photoelektrischen Effekt), Stoffe mit kleinerem Z funktionieren ab 50 keV, jedoch haben sie einen zu geringen Anteil des photoelektrischen Effekts. Geringe Mindestenergien, wie z. B. für die Dosimetrie laserinduzierter ionisierender Strahlung, stellen damit hohe Anforderungen an dosimetrische Materialien.

Entstehung des Detektorsignals

In jeder Wechselwirkung wird zunächst ein Elektron freigesetzt, das abzüglich der Bindungsenergie bis zur vollen Photonenenergie an kinetischer Energie tragen kann. Erst die Dissipation dieser Energie in zahlreichen Ionisations- und Anregungsakten führt zu einem messbaren Signal. Ein gewisser Anteil dieser Zahl führt zu elementaren Informationsträgern.

Direkteste Detektion

Bei der direktesten Detektion sind dies bewegliche Ladungsträger. Ein elektrisches Feld setzt sie in Bewegung und jene induziert einen Verschiebungsstrom. Üblich für Gas- und Halbleiterdetektoren ist die Angabe der Energie, die im Mittel durch ein Elektron deponiert werden muss, um einen elementaren Informationsträger zu erzeugen, d. h. ein Elektron-Ion-Paar oder ein Elektron-Loch-Paar. Je kleiner diese Energiemenge, desto mehr elementare Informationsträger und desto größer der messbare Strom.

Szintillationsdetektoren

In Falle von Szintillationsdetektoren (Abbildung 2) führt ein Teil der Energiedeposition zur Aussendung von Photonen im optischen Bereich, die durch den Stoff selbst zu einem Lichtsensor geleitet werden. Hier erfolgt die Angabe der Effizienz in Form der Lichtausbeute, d. h. Anzahl Photonen pro deponierter Energie. In Tabelle 1 sind die pro elementarem Informationsträger benötigte Energiedeposition und auch die erzeugte Anzahl pro deponierter Energie aufgelistet für ein Gas, 3 Halbleiter und 2 Szintillatoren.

Abb. 2: An der Technischen Universität Dresden entwickelter Szintillator zum Leuchten stimuliert mittels UV-Licht (links) – im Messgerät verborgen unter absolut lichtdichter Folie, um auch kleinste Lichtblitze nachweisen zu können (rechts) (Bilder: T. Baier und P. Kahle, TU Dresden).
Auswahl des Detektormaterials

In der Auswahl des Detektormaterials ist man bestrebt, viele elementare Informationsträger zu erhalten. Weniger wegen der absoluten Zahl, sondern weil eine größere Zahl eine geringere relative Schwankung bedeutet. Ist jeder elementare Informationsträger unabhängig von jedem anderen, nimmt die relative Schwankung invers proportional zur Wurzel der Anzahl ab (Poisson-Statistik). Diese Unabhängigkeit ist durch die Erzeugung nicht gegeben, wodurch die tatsächliche Schwankung meist geringer ausfällt. Diese geringere Schwankung wird durch den Fano-Faktor ausgedrückt. Er findet meist Anwendung in Bezug auf Halbleiterdetektoren, wurde von Ugo Fano jedoch zunächst für ein einfaches Gas-System entwickelt und berechnet [2]. Je kleiner er ist, desto besser wird deponierte Energie in der Anzahl der elementaren Informationsträger widergespiegelt. Experimentelle Werte sind schwer zu erlangen, vor allem für Szintillatoren, da durch die Lichtleitung und Umsetzung in elektrisches Signal weitere stochastische Prozesse die elementaren Informationsträger „unabhängiger“ voneinander machen.

Energiedeposition der Elektronen

Interessant ist ein Blick auf die Energiedeposition der Elektronen. Sie steigt mit abnehmender Geschwindigkeit β = v/c in erster Näherung entsprechend

etwa invers proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit. Der einzige Materialparameter ist das mittlere Ionisationspotenzial I, das für alle Materialien vergleichsweise schwach variiert, da hier vor allem die zahlreichen, äußeren Elektronen beitragen, während die charakteristisch Gebundenen durch ihre geringe Zahl nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Massendichte σ ist in Bezug auf Dosimetrie unproblematisch, da die Dosis ebenso massebezogen ist.
Die elektronische Wechselwirkung erzeugt daher keine weiteren Herausforderungen in Hinblick auf Gewebeäquivalenz – ein Glücksfall für Detektorbauer, jedoch ist die Ionisationsdichte stark zunehmend zum Ende der (stark gekrümmten) Elektronenbahn hin. Hohe Ionisationsdichten können manche Materialien lokal überfordern, d.h. sättigen. Hier stehen lokal weniger Mechanismen zur Verfügung, um beispielsweise optische Photonen zu erzeugen, oder Elektronen werden von Molekülen eingefangen, die mit positiven Ionen rekombinieren. Man spricht von Quenching, was besonders für schwerere geladene Teilchen als Elektronen relevant ist, aber auch hier auftritt, oft jedoch unter anderen Effekten verborgen oder vernachlässigbar bleibt.

Tab. 1: Notwendige Energie pro elementarem Informationsträger und Anzahl der erzeugten elementaren Informationsträger pro deponiertem MeV sowie Fano-Faktor für einige gängige Detektorstoffe.

Stoff Energie pro elementarem Informationsträger Anzahl elementarer Informationsträger pro MeV Fano-Faktor
Luft 34 eV 30.000 0,2
Germanium 2,9 eV 345.000 0,13
Silizium 3,6 eV 280.000 0,12
Diamant 13 eV 77.000 0,08
Natriumiodid 18 eV 55.000 1
Org. Szintillator 100 eV 10.000 1?

Überführung in ein messbares Signal

Die Anzahl der elementaren Informationsträger aus einer Wechselwirkung muss verstärkt und in eine elektrische Spannung im Bereich von 10 mV bis 1 V überführt werden. Der Schritt der ersten Verstärkung ist kritisch in der Detektorkonzeption, da auch kleinste Störungen die Verstärkung durchlaufen. Jede Verstärkung führt daneben zu Implikationen auf die Zeitkonstante des Systems, was z. T. in der StrahlenschutzPRAXIS 4/2022, Seite 11 bis 14, vertieft wurde.
Die Verstärkung kann bereits im Detektor erfolgen, wie es bei Proportionalzählern und Geigerzählern umgesetzt ist. Im Geigerzähler sogar so weit, dass jede Proportionalität zur ursprünglichen Energiedeposition verloren geht. Warum Dosimetrie mit einem Luft-Geigerzähler dennoch prinzipiell funktionieren kann, liegt an der Zusammensetzung von Luft, die nahe an der von Gewebe ist. Daher ist die Energiedeposition gleich und kann so im Kalibrierfaktor verschwinden und muss nicht mehr einzeln erfasst werden.
Integrierende Ionisationskammern sammeln Ladung, bis sie ausreichende Spannung erzeugen – auch sogenannter Strommodus, der dies durch Tiefpassfilterung erreicht. Dies kann als eine Art von Verstärkung aufgefasst werden, sehr zulasten der zeitlichen Auflösung.
Halbleiterdetektoren stellen bereits eine sehr große Zahl elementarer Informationsträger zur Verfügung (siehe Tabelle 1). Die notwendige Verstärkung zu einer auswertbaren Spannung wird hier durch Operationsverstärker in Form von ladungsempfindlichen Vorverstärkern geleistet. Diese sind hochempfindlich und werden nicht selten besonders gekühlt oder in der Temperatur stabilisiert.
Szintillationsdetektoren leiden unter der notwendigen Lichtleitung und der erneuten Umsetzung in elektrische Ladungsträger. Das nach wie vor empfindlichste Instrument ist hierfür der Photo-Sekundärelektronen-Vervielfacher, der auch einzelne Photonen messbar machen kann. Halbleiterelemente wie der sogenannte Silizium-Photomultiplier bieten jedoch den Vorteil, dass eine segmentierte Auswertung möglich ist. Erlaubt dies in Zukunft Zugriff auf die tatsächliche Anzahl der detektierten Photonen, ist dies auch für die Dosimetrie und Unsicherheitsbetrachtung von großem Vorteil.

Fazit

Jeder der 3 Detektortypen (Gas, Halbleiter, Szintillator) hat seine Vor- und Nachteile. Eine Diskussion dieser fällt zwangsweise umfangreich aus und ist selten vollständig. Trotz verschiedener und vielschichtiger Signalentstehung beginnt jedoch jede Messung mit der Energiedeposition. Die Prozesse, die zu elementaren Informationsträgern führen, sind – obwohl teilweise seit 100 Jahren bekannt – noch immer Gegenstand der Forschung. Höchste Sorgfalt ist erforderlich bei der Zugänglichmachung des Signals für nachfolgende elektronische Systeme. Detektorentwicklung ist daher ein forderndes, interdisziplinäres und hoch spannendes Forschungsfeld.

Quellen:

[1] M. J. Berger, J. H. Hubbell, S. M. Seltzer,
J. Chang, J.S. Coursey, R. Sukumar, D. S. Zucker,
and K. Olsen NIST XCOM Database, PML, ­Radiation Physics Division
[2] Fano, U. (1947). ”Ionization Yield of Radiations. II. The Fluctuations of the Number of Ions”. Physical Review. 72 (1): 26–29.