Teleradiologie aus dem Ausland −
europäische Realität oder ein Ding der Unmöglichkeit?
Teleradiologie in der Schweiz
Seit 2014 werden Leistungen, Standards und Technik für die Teleradiologie durch die Schweizer Gesellschaft für Radiologie in einem White Paper [1] publiziert. Gesundheitspolizeiliche Anforderungen werden dabei auf kantonaler Ebene geregelt. Jedes Teleradiologieunternehmen benötigt eine Berufsausübungsbewilligung an ihrem Sitz und zusätzlich eine strahlenschutzrechtliche Bewilligung. Die teleradiologischen Leistungen werden aus einer Teleradiologiezentrale für ein oder mehrere teleradiologische Satelliten erbracht. Die Leistungserbringung kann regulär oder nur für Nacht- und Wochenenddienste erfolgen.
In der Teleradiologiezentrale ist der oder die Teleradiologin tätig. Er oder sie legt das Untersuchungsprotokoll fest, führt die Befundung durch und trägt die Gesamtverantwortung. Die Indikationsstellung erfolgt durch den zuweisenden Arzt und wird von der oder dem Teleradiologen überprüft.
Die Durchführung der eigentlichen Untersuchung erfolgt durch eine Radiologiefachperson unter Aufsicht des Teleradiologen. Falls die Gabe von Kontrastmitteln erforderlich ist, so muss am Ort der Untersuchung noch ein Arzt als Hilfskraft des Teleradiologen anwesend sein. Dabei muss es sich nicht um einen Radiologen handeln. Diese Hilfskraft muss kurzfristig am Ort der Untersuchung sein können, falls es zu Komplikationen durch die Medikation kommt. Untersuchungen ohne Medikation kann die Radiologiefachperson auch ohne ärztliche Unterstützung vor Ort durchführen.
An den Sitz der Teleradiologiezentrale werden keine weiteren Anforderungen gestellt.
Teleradiologie in Deutschland
Seit der Novelle der RöV im Jahr 2002 ist die Teleradiologie auch in Deutschland möglich, allerdings grundsätzlich beschränkt auf den Nacht- und Wochenenddienst. Nur im Ausnahmefall, bei festgestelltem Bedürfnis für die Patientenversorgung, kann davon befristet abgewichen werden. Die Regelung ist deshalb so restriktiv, weil der Normgeber die Befürchtung hatte, dass in den Krankenhäusern im Strahlenschutz fachkundige Ärzte aus Kostengründen abgebaut werden könnten [2].
Die strahlenschutzrechtliche Definition der Teleradiologie findet sich in § 5 Abs. 38 StrlSchG, der Ablauf der Untersuchung wird in § 123 StrlSchV geregelt. Danach besteht die Teleradiologie aus der Stellung der rechtfertigenden Indikation, der Untersuchung durch einen nicht am Ort befindlichen Arzt mit der Fachkunde im Strahlenschutz sowie der Befundung.
Die technische Durchführung der Untersuchung hat gemäß § 14 Abs.2 Nr.2 StrlSchG durch eine gemäß § 145 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 StrlSchV geschulte Person zu erfolgen (Medizinische Technologen). Am Ort der Untersuchung muss sich weiterhin ein Arzt mit den erforderlichen Kenntnissen im Strahlenschutz befinden. Dabei muss es sich nicht um einen Radiologen handeln. Der am Ort der Untersuchung anwesende Arzt erhebt die notwendigen Informationen am Patienten, die der Teleradiologe für die Stellung der rechtfertigenden Indikation benötigt. Kenntnisse im Strahlenschutz sind auf einer niedrigeren Ebene als die Fachkunde angesiedelt.
Das Regionalprinzip
Besonders problematisch in Deutschland ist das Regionalprinzip, welches bereits in der Röntgenverordnung verankert war und sich heute in § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 StrlSchG findet. Danach müssen als Teleradiologen tätige Ärzte so eingesetzt werden, dass sie innerhalb eines für die Notfallversorgung erforderlichen Zeitraums beim Patienten sein können. Darunter ist ein Zeitraum von maximal 45 Minuten zu verstehen [3]. Außerdem sollen Teleradiologen in den klinischen Betrieb des Strahlenschutzverantwortlichen eingebunden sein (§ 14 Abs. 2 S. 1 Nr . 4 lit. c StrlSchG). Darunter sind regelmäßige Teilnahmen an klinischen Konferenzen, Fallbesprechungen und Anwesenheit am Ort der Untersuchung zu verstehen [4). Gemäß [5] darf der zeitliche Abstand bei den Besuchen vor Ort maximal 12 Monate betragen.
Rechtmäßigkeit des Regionalprinzips in Deutschland
Zur Rechtmäßigkeit einer Norm gehört deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (Grundgesetz, EU-Verträge) sowie die Verhältnismäßigkeit.
Mit der Frage, ob das Regionalprinzip gegen die Verfassung verstößt, haben sich bereits die Verwaltungsgerichte in Köln (13 K 1158/06) und Aachen (6K276/06) sowie das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen (20 A 943/07) befasst. Nur das VG Köln hat diese Regelung für nicht verhältnismäßig gehalten [6]. Auch der Verwaltungsgerichtshof München (9 B08.91) sieht in den erhöhten Genehmigungsanforderungen an die Teleradiologie keinen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, da die Maßnahmen dem Gesundheitsschutz dienen.
Bei einer Konstellation mit Bezug zum EU-Ausland sind die europäischen Grundfreiheiten der Dienstleistungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit und ggf. die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu berücksichtigen. Allerdings ist zu beachten, dass die EU-Verträge die Grundfreiheiten nicht schrankenlos gewähren. Insbesondere der Gesundheitsschutz ist ein legitimer Grund für Beschränkungen der Grundfreiheiten. Auch haben die Grundfreiheiten insbesondere das Ziel, eine Diskriminierung zu verhindern.
Beim Regionalprinzip handelt es sich jedoch nicht um eine diskriminierende Regelung. Wenn z.B. ein Radiologe aus Hamburg telemedizinische Leistungen in München erbringen will, würde dies genauso gegen das Regionalprinzip verstoßen wie bei einer in Kroatien tätigen Radiologin, die telemedizinische Leistungen in München erbringen möchte.
Europarechtlich können aber auch nicht diskriminierende Maßnahmen problematisch sein, wenn sie einen Marktzugang erschweren. Aber auch wenn man das Regionalprinzip so beurteilen würde, dann könnte die verursachte Beschränkung noch immer durch den Gesundheitsschutz gerechtfertigt sein.
Auch die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. f nicht für die Erbringung von grenzüberschreitenden Gesundheitsdienstleistungen.
Eine verhältnismäßige Regelung müsste ein legitimes Ziel verfolgen, die Regelung müsste weiterhin geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Der Strahlenschutz als Gesundheitsschutz des Patienten ist ein legitimes Ziel. Die Forderung, dass der Teleradiologe bei Bedarf innerhalb von 45 Minuten beim Patienten sein muss, kann dieses Ziel fördern. Sicher ist diese Maßnahme allein nicht ausreichend, allerdings ist eine Regelung bereits dann geeignet, wenn sie einen Teilschritt in Richtung Zielerreichung darstellt. Das Regionalprinzip ist daher auch geeignet.
Erforderlich ist eine Regelung immer dann, wenn es kein milderes Mittel zur Zielerreichung gibt. Milder ist ein Mittel dann, wenn es das Ziel mit gleicher Wirksamkeit, aber geringeren Einschränkungen für Betroffene erreicht. Hier ergeben sich im Hinblick auf das Regionalprinzip Bedenken, wenn man diesem die Regelung aus der Schweiz gegenüberstellt. Auch in der Schweiz wird verlangt, dass ein Arzt innerhalb kurzer Zeit beim Patienten sein muss. Dort ist der geforderte Zeitraum für die Erreichbarkeit bereits deutlich geringer als die 45 Minuten in Deutschland. Für Notfälle vor Ort reicht in der Schweiz die Erreichbarkeit eines Arztes aus, es muss kein Radiologe mit Fachkunde im Strahlenschutz sein. Bereits das VG Köln hatte in seinem Urteil angemerkt, dass eine Kontrastmittelunverträglichkeit ein internistischer und kein radiologischer Notfall sei.
Letzter Prüfpunkt für die Verhältnismäßigkeit ist die Angemessenheit der Regelung. Eine Regelung ist angemessen, wenn das angestrebte Ziel im Verhältnis zur bewirkten Beschränkung nicht außer Verhältnis steht. Für die Einschränkung der Berufsfreiheit hat das OVG NRW die Regelung in Anbetracht des überragenden Schutzgutes Gesundheit für angemessen gehalten. Bei der Teleradiologie aus dem Ausland tritt nun noch die Dienstleistungsfreiheit hinzu. Auch diese kann gemäß Art.52 AEUV i.V.m. Art.62 AEUV aus Gründen des Gesundheitsschutzes eingeschränkt werden. Allerdings hat die Anwendung solcher Einschränkungen äußerst restriktiv zu erfolgen. In anderen europäischen Ländern bestehen keine Anforderungen an die räumliche Nähe des Teleradiologen zum Patienten, solange die Kommunikationswege offen sind und eine Notfallversorgung gewährleistet ist. Daher bestehen bezüglich der Verhältnismäßigkeit des Regionalprinzips im Lichte der Dienstleistungsfreiheit erhebliche Zweifel.
Das untergesetzliche Regelwerk
Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass neben den Genehmigungsanforderungen des StrlSchG auch das untergesetzliche Regelwerk zu beachten ist. Einschlägig wären hier die Sachverständigen-Richtlinie und die DIN6868-157 bzw. 6868-159. Nach diesen müssten Abnahme- und Konstanzprüfungen auf beiden Seiten der Kommunikationsverbindung erfolgen. Diese Anforderungen für die Qualitätssicherung gelten auch, wenn abweichend zum Verständnis der Teleradiologie im Strahlenschutz nur eine Befundung aus der Ferne erfolgen soll. Insbesondere müsste der Befundmonitor in seiner genutzten Umgebung eingemessen und abgenommen werden. Hier ergibt sich das Problem, inwieweit das deutsche untergesetzliche Regelwerk im EU-Ausland zur Anwendung kommen kann.
Beim Bundesumweltministerium als für den Strahlenschutz zuständiger oberster Bundesbehörde gibt es den Länderausschuss für Atomkernenergie, in dem Aufsichts- und Genehmigungsbehörden aus dem Bund und den Ländern ihre Arbeit beim Vollzug des Strahlenschutzrechts koordinieren. Unterhalb des Länderausschusses gibt es noch den Fachausschuss für Strahlenschutz. Dieser hat sich 2023 mit der Teleradiologie aus dem Ausland befasst. Dort ist man zu der Ansicht gekommen, dass wegen der räumlichen Beschränkung des Geltungsbereiches des Strahlenschutzgesetzes auf Deutschland eine Tätigkeit von Teleradiologen aus dem Ausland rechtlich problematisch ist.
Fazit
Nach der derzeitigen Rechtslage ist die Erbringung von teleradiologischen Leistungen aus dem Ausland für Genehmigungsinhaber in Deutschland nicht möglich.
An der Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem freien Dienstleistungsverkehr in der EU bestehen aber begründete Zweifel. Zwar ist es legitim, dass der deutsche Normgeber ein Höchstmaß an Versorgungssicherheit und -qualität für Patienten sicherstellen möchte, allerdings stellte sich neben den rechtlichen Bedenken auch die Frage, ob das Regionalprinzip im Strahlenschutz richtig angesiedelt ist. Ist es für den Strahlenschutz erforderlich, dass der Teleradiologe innerhalb von 45 Minuten am Patienten sein kann? Geht es hier nicht um Situationen, die andere Ursachen als die Einwirkung von ionisierender Strahlung haben? Diese Diskussion innerhalb des Fachverbandes soll durch diesen Artikel angeregt werden.
Der Röntgenbefund in Deutschland kommt derzeit noch nicht aus Indien, aber das muss nicht so bleiben.
Dank
Der Autor bedankt sich bei den Mitgliedern des AKMed, AKR und bei Hansruedi Völkle für die Diskussion und die Bereitstellung von Informationen.
Quellen:
[1] Roos, J. et. al.: SGR-SSR Teleradiologie White Paper 2.0, Luzern, 2019.
[2] Krüger-Brandt, H.: Teleradiologie: Klar umgrenzte Einsatzszenarios; Dt. Ärztebl. 2007, 104.
[3] BR-Drs. 230/02, S. 76 mit der Begründung zu § 3 Abs. 3 RöV.
[4] Loose, R.; Wucherer, M.; Walz, M.; Adamus, R.: Das neue Strahlenschutzrecht in Deutschland; Fortschr. Röntgenstr. 2020; 1036–1045.
[5] Rundschreiben des Bundesministeriums für Umwelt vom 14. Februar 2020, S II 4 – 11600/01.
[6] Wigge, P.; Frigger, U.: Aktuelle Rechtsfragen der Genehmigungspraxis in der Teleradiologie; Fortschr. Röntgenstr. 2015, 66–70.