Ist der praktische Strahlenschutz eine gesellschaftliche Herausforderung?

Der Strahlenschutz, insbesondere im „Atomausstiegsland“ Deutschland, steht vor sehr großen Aufgaben und dazu gehört nicht zuletzt die breite Akzeptanz der Strahlenschutzregelungen und auch das Vertrauen in die sichere und überlegte Umsetzung vor Ort.

Strahlenschutz kein Thema für die Bevölkerung?

Strahlenschutz ist im Allgemeinen ein Thema, von dem die meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger der Ansicht sind, „das betrifft mich ja nicht“, und wenn doch, dann nur in peripherer Hinsicht oder in diffusen, katastrophenähnlichen Szenarien.

Dem ist aber beileibe nicht so.

Nur weil die Mannigfaltigkeit des Strahlenschutzes im täglichen Leben nicht wahrgenommen wird, bedeutet dies nicht, dass Strahlenschutz nur in Ausnahmesituationen für den Allgemeinbürger stattfindet.

Strahlenschutzmaßnahmen

Im Gegensatz zu regulären Arbeitsschutzmaßnahmen findet Strahlenschutz häufig so statt, dass er oft für die Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar ist. Natürlich gibt es die offensichtlichen, pressewirksamen Ausnahmen wie z.B. die Schutzmaßnahmen im Umfeld der Tätigkeiten in Kernkraftwerken. Die dort tätigen Kolleginnen und Kollegen sind aber tatsächlich nur personelle Minderheiten unter den Strahlenschützerinnen und Strahlenschützern, jedoch mit entsprechender gesellschaftspolitischer Brisanz.
Die Mehrzahl der durch Strahlenschutzmaßnahmen betroffenen Personen stammt aus völlig anderen Bereichen, führend darunter die Medizin mit ca. 75% der strahlenexponierten Personen. Und hier ist die Zahl der von Strahlenschutzmaßnahmen betroffenen Patienten nicht einmal mit einbezogen.
Andererseits liegt die höchste Kollektivdosis in einem völlig anderen Bereich, nämlich beim fliegenden Personal. Hier werden ca. 75% der Kollektivdosis an nur ca. 10% der exponierten Personen generiert.
Beide Bereiche gehen im allgemeinen Erscheinungsbild des Strahlenschutzes weitestgehend unter. In beiden Bereichen wird der Strahlenschutz zu großen Anteilen unerkannt ausgeführt, folglich stellt sich hier auch selten die Frage der Akzeptanz durch die Bevölkerung.

Akzeptanz für Strahlenschutzmaßnahmen

Die Akzeptanz der Betroffenen ist vor allem in den Bereichen notwendig, in denen Strahlenschutzmaßnahmen offensichtlich werden. Hierzu gehören alle Bereiche, in denen Anleitung und Kontrolle durch den Strahlenschutz „vor Ort“ erfolgen.

Wo liegt dabei die Herausforderung?

Strahlenschutz ist in diesen „offensichtlichen“ Bereichen nicht nur die Kontrolle der Einhaltung von Regeln bzw. Grenzwerten. Guter Strahlenschutz führt gerade in diesen Kontaktbereichen mit den dort tätigen Personen zu einem enormen Multiplikationsfaktor, was das Vertrauen in die Arbeit des Strahlenschutzes angeht. Hier darf nicht nur das Regelwerk rezitiert werden, hier muss auch durch gute Ausbildung den Kolleginnen und Kollegen gegenüber dargestellt werden, warum die eine oder andere Maßnahme notwendig ist. Erst wenn hier ein Vertrauen in die Fähigkeit des Strahlenschutzes vor Ort besteht, transportiert sich dieses Vertrauen in unsere Arbeit nach außen.

Was muss Ausbildung im Strahlenschutz bringen?

Ein Strahlenschützer braucht eine fundierte Ausbildung, um nicht nur die Einhaltung von Regeln zu kontrollieren, sondern um seinen Kollegen gegenüber auch auf die Frage nach dem „Warum?“ eine Antwort geben zu können. Dass dies nicht in jedem Fall möglich ist, liegt auf der Hand, stellt bei ehrlichem Umgang damit aber auch kein Manko dar.
Hierzu muss allerdings ein allgemeiner Konsens bestehen, Ausbildung im Strahlenschutz sowohl auf der akademischen Seite finanzieren zu wollen wie auch die Bereitschaft, die Ausbildung der Strahlenschützer vor Ort entsprechend finanziell und personell zu stärken.

Praktischer Strahlenschutz

Der praktische Strahlenschutz betrifft im weitesten Sinn alle Sparten des Strahlenschutzes.
Völlig egal welcher Bereich betroffen ist, die Umsetzung vor Ort findet „praktisch“ statt. Gerade am vorher bereits aufgeführten Beispiel der Medizin würde das Einbrechen der Ausbildung der Strahlenschützer vor Ort die Fortschritte in diesem Bereich deutlich negativ beeinflussen. Dies wäre eine Entwicklung mit äußerst fatalen Folgen für die Gesellschaft.

Ausbildung zum Strahlenschützer braucht gesellschaftliche Akzeptanz.

Die technischen und formalrechtlichen Fragen werden in der Ausbildung zurzeit gut und in Zukunft immer besser durch unsere Strahlenschutzausbildung abgedeckt. Aber diese Ausbildung braucht, wie bereits gesagt, auch den Willen in der Bevölkerung, Strahlenschützer auszubilden zu wollen. Und dazu gehört es, vor allem die Mittel für diese fundierte Ausbildung des Strahlenschutzes vor Ort bereitzustellen. Eine der Herausforderungen innerhalb der Gesellschaft ist es, diese Notwendigkeit transparent darzustellen.
Und hier schließt sich ein Kreis: Ein gut ausgebildeter praktischer Strahlenschutz ist durch sich selbst die beste Werbung für gute Ausbildung, alles natürlich im jeweiligen Bezugsfeld.

Fazit

Nun abschließend die Beantwortung der Frage „Ist der praktische Strahlenschutz eine gesellschaftliche Herausforderung?“ aus zugegebenermaßen persönlicher Sicht:

  • Ja, es ist eine gesellschaftliche Herausforderung, den praktischen Strahlenschutz so zu fördern, dass er mit entsprechend gutem Handwerkszeug ausgerüstet Kolleginnen und Kollegen im vertrauensvollen Miteinander durch die jeweiligen Arbeiten begleiten kann.
  • Denn schlussendlich führt die Akzeptanz von Regelungen und Maßnahmen zu einem deutlich besseren Strahlenschutzergebnis als die reine Hinnahme von als aufgebürdet betrachteten Auflagen.
  • Denn das letzte Ziel des Strahlenschutzes ist nicht die reine Durchsetzung von Strahlenschutzregeln, sondern durch die Anwendung von Regeln der Schutz von Bevölkerung und Umwelt. Und dies kann nur wirklich gut gelingen, wenn beide beteiligten Parteien ihren Teil dazu beitragen.

Das Ergebnis eines solchen Zusammenwirkens führt dann fast zwangsläufig vom guten Strahlenschutz zu einem noch besseren Strahlenschutz!